2012/09/19

Havelradweg No. 4

Endstation: Bahnhof Rathenow.

Heute geht sie zu Ende. Die kleine Reihe zu meinem Experiment, statt mit unserem Berlin-Besuch durch die Betonwüste zu wetzen, das Berliner Umland per Fahrrad zu erkunden. Da werde ich gleich ganz sentimental. Ich hoffe, ihr verdreht nicht schon genervt die Augen. Ich habe unsere kleine Reise sehr gerne mit euch geteilt. Mal sehen: Es gab eine Tour inklusive Kirschbaum-Allee und Mauerradweg nach Rangsdorf, einen chaotischen Tagestrip nach Spandau und die erste Etappe auf dem Havelradweg bis Brandenburg an der Havel. Und hier kommt der 4te und letzte Teil.

Start in Brandenburg an der Havel nach einem leckeren Frühstück. Ich gebe zu, auf den ersten Metern habe ich dann doch im Umkreis meiner Sitzhöcker den Vortag mit seinen 80 Kilometern gespürt. Und der Sonne ist an diesem Tag 2 auf dem Havelradweg wohl auch die Puste ausgegangen. Kaum losgefahren konnten wir schon in unsere Regenklamotten steigen. Zum Glück gab es immer nur kleine Schäuerchen. Mein Held des Tages hat mir sogar seine Regenhose überlassen. Meine lag nämlich fein säuberlich zusammengelegt zu Hause. Und ich habe sehr darauf geachtet, alle anderen an ihre Regenhosen zu erinnern. Klar.

Die Tour bis Schloss Plaue führt eigentlich immer am Ufer der Havel entlang, die sich dort allerdings auf Seegröße erweitert und demnach auch Breitlingsee, Möserscher See und Plauer See heißt. Eine nette Strecke durch viel Wald. Und was soll ich sagen: der geteerte Luxus riss nicht ab. Ich bin visuell auch eher ein Freund des Kopfsteinpflasters, aber wer schon mal mehrere Kilometer mit dem Fahrrad über Kopfsteinpflaster gefahren ist, weiss die Arbeit der Straßenteerer echt zu schätzen.

Zwischenstopp Schloss Plaue. Eine tolle Lage direkt am Wasser, aber es braucht noch ein bißchen Liebe, das Schloss. Ein kleines Nebengebäude ist schon saniert und hier gibt es auch Übernachtungsmöglichkeiten. Und Käffchen mit Blick auf die Havel gab es auch.

Dann kam leider ein nicht so schöner Teil des Radwegs, den ich für dringend überarbeitungswürdig halte. Denn es ging an einer Landstraße entlang. Im Rad-Reiseführer stand zwar: nicht stark befahren. Aber offensichtlich gehörten die Autofahrer, die da zum Teil mit Zentimeterabstand an unserer kleinen Herde vorbei gerauscht sind, nicht auch gleichzeitig zur Spezies der Radler. Ohne Gnade wurde da gerast und überholt. Am Ende war ich nass geschwitzt und froh, dass alle heil Pritzerbe erreicht haben. Ich kam mir immer vor wie eine Entenmutti, die ihre kleine Schar zusammenhalten muss. Alle da? Keiner verloren?

Nett: von Pritzerbe setzt man mit einer kleinen Fähre auf die andere Seite der Havel nach Kützkow über. Das entschleunigt nach dem Autorauschen in den Ohren.

Überfahrt.

Das letzte Stück bis Rathenow ist schnell erzählt: Luxus-Feldweg, Straße und Radweg an stark befahrener Straße. Hat mich jetzt nicht so umgehauen. Aber das Beste kommt jetzt: An der südlichen Einfahrt nach Rathenow gibt es eine Bahnunterführung. Die Autofahrer haben hier eine autobahnähnliche eigene Spur. Fahrradfahrer und Fußgänger werden daran vorbei geschleust und man denkt noch: Oh, wie gut! Und plötzlich steht man vor einer TREPPE! Ohne Möglichkeit, diese zu umfahren, zu verhindern oder mit Rädern unter dem Hintern irgendwie zu überwinden. Und das war keine 3einhalb Stufen Treppe. Eine echte Schildbürgerlösung. Vielen herzlichen Dank an den Menschen, der sich das ausgedacht hat. Und das nicht nur im Namen der vielen Radreisenden, die mit ihren schweren Tourenrädern und Fahrradtaschen unterwegs sind, sondern auch im Namen der Mütter mit Kinderwagen und der Rollstuhlfahrer. Nach meinem ganz persönlichen Strafkatalog müßte der Planer jeden Tag stundenweise Fahrräder, Menschen und Kleinkinder da rauf und runter tragen. Habe ich erwähnt, dass wir bis Rathenow 68 Kilometer Pedaletreten hinter uns hatten?

In Rathenow mußte ich dann nach Spandau erneut die ernüchternde Entdeckung machen, dass ich das "total schön" wieder etwas zu blauäugig übernommen habe. Ganz Rathenow war eine Baustelle und in dem Café, wo wir noch einen Abschlusskaffee trinken wollten, die Milchmaschine kapputt. Das war dann mal ein Zeichen. Ab zum Bahnhof und ab nach Berlin.

Das ist am Bahnhof Rathenow. Heimelig.

Mein Endfazit dieser kleinen (und meiner ersten!) Fahrradreise: fühlt sich nach echter Reise-Freiheit an. Kein Tanken, kein Zwang, Natur pur. Ab und an ein Päuschen, wie, wo und wann man will. Und wenn man mal mutig vom Weg abweicht, wird man meist mit einer tollen Landschaft und vielleicht sogar mal einem echten Storch belohnt. Und überall nette Leute, mit denen man ins Gespräch kommt. Ein Restaurantbesitzer hat sogar extra für uns seine Terrasse geöffnet und hat uns von sich aus einen Kaffee angeboten. Danke lieber Mensch in Milow. Ich würde es auf jeden Fall wieder machen. Es war auch anstrengend, ok, aber das Bauch-Beine-Po-Training konnte dafür sogar noch ein paar Tage danach ausfallen. Nachteile: eigentlich keine, man muss nur gesunde Kniegelenke und Bandscheiben mitbringen, mal kurz seine Eitelkeit über Bord werfen und Angst vor Wasser von oben ist auch schlecht.

Kirchmöser.

Schlosspark Plaue.

Noch ein Luxus-Radweg.

Berlin.

Das Berliner Umland ist einfach schön. Mehr gibts da schon gar nicht mehr zu sagen. Volle Punktzahl und Empfehlung. Und hier noch ein paar Reiseimpressionen aus der Sicht einer kleinen hupenden Ente. Ich sag ja, ich war eine Entenmama. Zeitweise. Und sehr gerne.


Ganz herzliche Grüße in den frühherbstlichen Abend sendet euch,
Eure Neu-Berlinerin.

1 Kommentar:

  1. vielen Dank für den erfrischenden Bericht. Wir planen nächsten Sommer auch ein paar Tage auf dem Havelradweg zu verbringen. Hoffe der Stadtplaner, der die Treppe auf den Radweg gebaut hat, hat bis dahin seinen Dienst als Radträger aufgenommen. ;-)
    Grüsse aus München
    Attila
    www.blog.erlebnisse4you.de

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